Schlüsselbegriffe der Raumakustik

Beschreiben Sie den Raum, in dem Sie sich gerade befinden. Selbst Musikliebhaber und Klangversessene würde beim Lösen dieser Aufgabe vermutlich mit dem Sichtbaren beginnen. Dass Räume aber immer auch ihren eigenen Sound haben, dringt dagegen nur selten in unser Bewusstsein. Etwa dann, wenn die Musik im Konzertsaal uns mitreißt, oder der Bass der Stereoanlage nach dem Umzug auf einmal undefiniert dröhnt. Möglicherweise hatten Sie auch schon mal das Vergnügen an einer lebhaften Diskussion in einem quadratischen und noch dazu gläsernen Besprechungsraum teilzunehmen? Warum das an den Nerven zehrt und nach welchen Gesetzmäßigkeiten Räume sonst auf Klang reagieren, erfahren Sie in unserem Artikel zu einigen Schlüsselbegriffen in der Raumakustik.

Raummoden

Wir beginnen mit einem Phänomen, das allen Räumen zueigen und gleichzeitig einer der Ansatzpunkte für die akustische Optimierung ist, den sogenannten Raummoden. Alternativ auch als Raumeigenmoden, Raumresonanzen oder Eigenfrequenzen des Raums bezeichnet, erschließt sich das etwas seltsam klingende Wort, wenn man es auf das englische Pendant „Room mode“ oder besser gleich auf das lateinische Wort „modus“ zurückführt. Das bedeutet – je nach Kontext – soviel wie „Maß“ oder „Größe“, aber auch „Grenze“, „Einschränkung“ oder eben „Art“ und „Weise“. Tatsächlich sind diese Übersetzungen sehr treffend, denn Raummoden beschreiben den akustischen Charakter eines Raums, der maßgeblich durch seine Größenverhältnisse oder eben sein Grenzen definiert ist.

Möchte man weitgehend auf physikalische Details verzichten, lassen sich die Eigenfrequenzen eines Raums vielleicht so beschreiben: Bespielt man einen leeren Raum mit Musik, entstehen und vergehen ihr entsprechend Schallwellen mit ganz unterschiedlichen Frequenzen, also auch unterschiedlichen Wellenlängen. Diese Schallwellen breiten sich aus und werden von den Wänden nach einem bekannten Prinzip zurückgeworfen: Der Einfallswinkel ist gleich dem Ausfallswinkel. Abhängig von der Geometrie des jeweiligen Raums gibt es dann eine Gruppe von Schallwellen, deren Wellenlänge ganz besonders gut in einen Raum „passt“. Das ist nicht etwa ein Grund zur Freude, denn sie werden so von den Wänden reflektiert, dass sie viel weniger Energie verlieren und viel intensiver und länger auf den Klangeindruck einwirken als solche Frequenzen, die nicht zu dieser Gruppe gehören und deutlich schneller abebben. So wird das eigentliche Spektrum der wiedergegebenen Musik verzerrt. Diese Gruppe von Wellen wird auch „stehende Wellen“ genannt.

Allen die noch etwas tiefer in die Materie eintauchen wollen, seien die nächsten Absätze empfohlen. Es besteht aber auch die Möglichkeit etwas weiter unten an der fett „gedruckten“ Stelle wieder einzusteigen.

Stehende Wellen treten dann auf, wenn ein ganzzahliges Vielfaches (einmal, zweimal, dreimal, …) der halben Wellenlänge einer Schallwelle in einen Raum gerade hineinpasst. Dabei gilt die Randbedingung, dass sich an der Wand immer sogenannte Druckbäuche befinden, da die Luftteilchen sich dort nicht bewegen können. Während die stehende Welle ihren Weg durch den Raum nimmt, kommt es also je nach Wellenlänge an verschiedenen Stellen zu Druckbäuchen (Maxima) und Druckknoten (Minima), an den Wänden befinden sich aber in jedem Fall Druckbäuche.

Ein Beispiel hilft ungemein das zu verdeutlichen. Es wird der Einfachheit halber mit einer Schallgeschwindikeit von 340 m/s gerechnet:

Ein Sinuston mit einer Frequenz von 40 Hz hat eine Wellenlänge von 8,5 Metern. Zwischen zwei parallelen Wänden, die im Abstand der halben Wellenlänge – also 4,25 Metern – zueinander stehen, wäre die 40 Hz Schallwelle eine stehende Welle und gleichzeitig die erste Eigenfrequenz oder auch Grundfrequenz des Raums, da die halbe Wellenlänge genau einmal hineinpasst. Aus dieser Grundfrequenz lassen sich auch die nächsten Eigenfrequenzen zwischen unseren beiden Wänden ableiten, denn sie alle stehen immer im Verhältnis zur Grundfrequenz:

Einmal passt die halbe Wellenlänge von 40 Hz (1*4,25 m) in den Raum.
Zweimal passt die halbe Wellenlänge von 80 Hz (2*2,125 m = 4,25 m) in den Raum.
Dreimal passt die halbe Wellenlänge von 120 Hz (3*1,4167 m = 4,25 m) in den Raum.

Und so weiter …

Die allgemeine Formel lautet: Eigenfrequenz (n) = c/2 * n/a.

c ist die Schallgeschwindigkeit.
n ist eine ganze Zahl (1, 2 ,3 ,4 ,…) und gibt uns Auskunft darüber um die wievielte Eigenfrequenz es sich handelt.
a ist der Abstand der beiden Wände.

Das wäre geschafft und ist hoffentlich einigermaßen nachvollziehbar. Die schlechte Nachricht ist jetzt, dass unser Beispiel lediglich für den eindimensionalen Raum gilt. Für dreidimensionale Räume – bitte melden Sie sich umgehend bei uns, wenn Ihr Hörraum zwei- oder vierdimensional ist! – müssen entsprechend alle Dimensionen berücksichtigt werden, sodass man es in der Realität mit einem komplexen Zusammenwirken der Eigenfrequenzen zutun hat. Die gute Nachricht hingegen ist, dass wir hier nicht näher darauf eingehen werden, stattdessen wird es wieder einfacher. Wer einmal die Moden seines Raums nachvollziehen und sich einen Überblick über die Druckbäuche und -knoten der einzelnen Frequenzen verschaffen möchte, dem sei an dieser Stelle der Raummodenrechner von Hunecke Raumakustik empfohlen.

Es ist wichtig noch einmal zu betonen, dass die Moden eines Raums sich je nach Hörposition unterschiedlich auswirken können. So kann es an bestimmten Stellen im Raum zu lang anhaltenden Überbetonungen – zum Beispiel dem typischen dröhnenden Bass – kommen, während ein paar Schritte weiter Auslöschungen den Eindruck erwecken, dass dieser Frequenzbereich vollkommen unterrepräsentiert ist. Raummoden lassen sich übrigens nicht durch raumakustische Maßnahmen nicht vermeiden. Stattdessen wird versucht eine gute Verteilung der Eigenfrequenzen zu erreichen, sodass diese möglichst breit im Spektrum verteilt liegen und sich nicht in bestimmten Frequenzbereichen ballen. Zusätzlich können Moden gezielt abgeschwächt und die Hörposition optimiert werden. Besonders problematisch sind ausgerechnet quadratische Räume (gut, dass es die nirgendwo gibt …), da parallele Wände eine hervorragende Projektionsfläche für Schallwellen bieten. Hier schließt sich dann der Kreis zu dem eingangs erwähnten gläsernen Konferenzraum. Die Kombination aus Material, Form und akustischem Stimmen-Wirrwarr führt mit großer Wahrscheinlichkeit zu einem unerträglichen Aufschaukeln bestimmter Frequenzbereiche, in denen mehrere Eigenfrequenzen dicht beieinander liegen. So wird ein vernünftiges Gespräch akustisch quasi unmöglich.

An dieser Stelle bietet es sich an auf ein weiteres akustisches Phänomen hinzuweisen: Solche Räume mit schallharten Wänden und quadratischer Grundfläche sind prädestiniert dafür Flatterechos zu erzeugen. Das Hin- und Herlaufen der Schallwellen lässt sich daran sehr schön nachvollziehen. Wenn Sie in die Hände klatschen hören Sie möglicherweise sehr viele kurze Echos, die sogar tonal klingen und eine ganze Weile im Raum stehen können, bevor sie schlussendlich abklingen. Wir sind bei einem weiteren wichtigen Kriterium bei der akustischen Betrachtung eines Raums angekommen.

Nachhallzeit

Die Nachhallzeit beschreibt die Zeit, die es dauert, bis ein Schallereignis in einem Raum 60dB Schalldruckpegel verloren hat. Aus unserer Betrachtung der Raummoden nehmen wir die Erkenntnis mit, dass Größe und Geometrie entscheidend dafür sind wie lange und mit welcher Intensität die einzelnen Frequenzen eines Schallereignisses nachhallen. Darüber hinaus wirken sich die akustischen Eigenschaften verschiedener Materialen oder Gegenstände innerhalb des Raums unter Umständen ganz erheblich auf die Nachhallzeit aus. Diesen Umstand macht man sich bei raumakustischen Optimierungen zunutze. Wie sehr wir an die akustischen Reflexionen aus unserer Umgebung gewöhnt sind, obwohl wir sie selten getrennt von einem Schallereignis wahrnehmen, zeigt ein Aufenthalt im reflexionsarmen Raum. Wie der Name schon sagt, ist dieser so gebaut, dass fast keine Reflexionen auftreten und die bloße Anwesenheit löst ein seltsames und beklemmendes Gefühl aus.

Direktschall und Diffusschall

Abschließend wollen wir noch die Begriffe Direkt- und Diffusschall beleuchten. Der Direktschall erreicht den Hörer ohne Umwege, dringt also zum Beispiel von einem Instrument oder Lautsprecher direkt ans Ohr, während letzterer erst nach mindestens einer Reflexion dort ankommt. Je mehr Reflexionen vor der Wahrnehmung durch das Gehör stattfinden, umso mehr hat das Frequenzspektrum bereits eingebüßt und eine räumliche Verortung des Schallereignisses ist nicht mehr ohne Weiteres möglich. Der Bereich um eine Schallquelle in dem der Schalldruckpegel des Direktschalls höher ist als der des Diffusschalls, wird Direktschall- oder Freifeld genannt. Sind die Verhältnisse umgekehrt, spricht man von Diffusfeld. Dort, wo beide Pegel gleich sind, befindet sich der sogenannte Hallradius.

Damit sind wir am Ende unseres kleinen Rundumschlags zum Thema Schlüsselbegriffe der Raumakustik angekommen und hoffen, dass unsere Ausführungen gleichermaßen nachvollziehbar und interessant waren. Wenn Sie sich für Raumakustik in Ihren eigenen vier Wänden interessieren, schauen Sie doch mal bei unserem Partner Davidsound vorbei. Ende Juli und Anfang August haben Sie die Möglichkeit sich selbst einen Eindruck verschiedener Akustikelemente in Ihrer Wohn- oder Hörumgebung zu verschaffen. Weitere Informationen finden Sie in unserem Blog.



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